Strom aus Deutschland und Frankreich
Zur Schonung unserer Speicherseen für den Winter importiert die Schweiz nachts bedeutende Strommengen aus Deutschland und Frankreich. Am 25. September waren es um 3 Uhr morgens je 28% des Gesamtbedarfs. In Deutschland trugen Kohlekraftwerke zu 50% und in Frankreich Kernkraftwerke zu 60% zum Strommix bei. Dies bedeutete für Deutschland eine mittlere CO2-Belastung von 480 Gramm pro Kilowattstunde, für Frankreich hingegen nur 90 Gramm pro Kilowattstunde. Der Anteil der Schweiz am Stromgesamtbedarf betrug gleichzeitig 33% Kernenergie (12 g/kWh) und 11% Wasserkraft (24g/kWh). Unser Strommix aus Eigenproduktion ist hinsichtlich des CO2-Ausstosses also nach wie vor einer der besten in Zentraleuropa. Sie werden jetzt fragen, woher ich diese präzisen Angaben zu den Strommixen in verschiedenen Ländern habe. Nun, sie können jederzeit mit Hilfe der Website www.electricitymap.org abgerufen werden, und zwar weltweit. Leider scheint diese Informationsmöglichkeit noch viel zu wenig bekannt zu sein. Helfen Sie mit, geschätzte Leserinnen und Leser, diesen Umstand möglichst rasch zu beheben.
Hans Rudolf Lutz, alt Kantonsrat, Lostorf 25. September 2022
Abstruser geht es nicht!
Wie viele Hunderte Millionen von Subventionen müssen noch in die abstruse und grundfalsche Energiestrategie 2050 hineingebuttert werden, bis der letzte Politiker merkt, dass nachts die Sonne auch auf 2000 m ü.M. nicht scheint und die Schweiz kein Windland ist. Es ist zwar gut, dass kurzfristig die Zeiten ohne Sonne und ohne Wind mit dreckigen Reserve-Gaskraftwerken in Birr (AG) überbrückt werden können. Problematisch nur: Damit laufen nochmals Kosten von mindestens 500 Millionen Franken plus Ölkosten – neben der Wasserkraftreserve von 300 Millionen – auf. Problematischer noch: Gute Energiepolitik wäre eigentlich langfristig ausgerichtet! Unsere Staumauern und Grosskraftwerke wurden im letzten Jahrhundert gebaut. Längerfristig werden Datencenters, Wärmepumpen, E-Autos und der Ersatz von Öl und Gas mindestens 50 Prozent (entspricht 30 Milliarden Kilowattstunden) mehr Strom als heute benötigen.
Unverzeihbar nur: Solche Mengen an Strom durch Erneuerbare oder Sparen oder Importe oder zusätzliche Öl/Gaskraftwerke (ohne das Netto-Null-Ziel weit zu verfehlen) hervorzuzaubern, geht nicht. Noch unverzeihbarer: Auch mehrere zusätzliche Speicherseen können mit mehreren Milliarden Subventionen (um Sommer-Stromüberschuss in den Winter zu verlagern) nicht schnell genug gebaut werden. Dazu kommt, dass zum Beispiel von Deutschland seit Jahren erneuerbarer Überschuss-Strom im Sommer gratis oder zu negativen Preisen importiert werden kann. Schlecht nur, dass deshalb im Sommer unsere Schweizer Wasserkraft noch unrentabler wird. Noch schlechter: Wir tragen dazu mit mehr subventionierten Erneuerbaren im Inland kräftig bei. Natürlich könnten wir mit Zuschüssen und Verlusten aus Strom Gas herstellen, Gasspeicher bauen und im Winter wieder in Strom umwandeln. Unerwünscht ist nur: Das ist ineffizient. Noch unerwünschter: So lässt sich das Subventions-Karussell beliebig weiter drehen. Leider wird es bei der Strom- und Gasrechnung nicht stoppen. Die abstruse Energiestrategie 2050 gibt keine Versorgungssicherheit und ist unbezahlbar.
Die einzig praktikable Lösung sind neue Kernkraftwerke (KKW). Deren Planung muss sofort beginnen. In Abu Dhabi wurden vier KKW à 1400 Megawatt innert 12 Jahren für total etwa 20 Milliarden Franken gebaut. KKW liefern langfristig (einige KKW in den USA haben Betriebslizenzen für 80 Jahre), rund um die Uhr, wetterunabhängigen Strom. KKW brauchen deshalb keine teuren landschaftsschädigenden Speicher für den Winter. Der Bundesrat hat den technischen Sicherheits-Nachweis für geologische Tiefenlager vor fast 20 Jahren genehmigt. Das ist perfekte Nachhaltigkeit. Statt weiterhin über Jahrzehnte mit Solarpanels mindestens doppelt so viel CO2 pro Kilowattstunde in die Luft zu pusten wie mit KKW.
Als Bürgerin und Bürger können Sie die Initiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)», blackout-stoppen.ch, unterzeichnen und damit eine echt nachhaltige Energiewende einleiten!
Hans Achermann aus Mollis
Leserbrief: Grüne und Linke auf dem Irrweg
Die Grünen und die Linken – in Deutschland und in der Schweiz – haben über Jahre gegen fossile Kraftwerke (insbesondere Kohlekraftwerke) und Kernkraftwerke (KKW) gewettert. Im Hinblick auf die Klimaziele des Pariser Übereinkommens kann man Ersteres verstehen. Denn Kohlekraftwerke emittieren ca. 700 bis 1000 Gramm (g) CO2 pro Kilowattstunde (kWh) Strom. Trotzdem reanimiert sie der grüne deutsche Minister Habeck wieder. Im Gegensatz dazu sind die Emissionen der KKW mit ca. 11 bis 15 g CO2/kWh (die französischen KKW sind sogar bei 4 g) bescheiden und prädestiniert für eine Energie-Zukunft mit wenig Treibhausgasen und unabhängig von Russland. Aber derart rationale Vergleiche sind offenbar kein Argument für die links-grüne Ideologie in der Schweiz. Merke: Sogar die EU-Kommission und das eher links-grüne EU Parlament haben sowohl dem Gas wie den KKW das Öko-Siegel verliehen. Also worauf wartet unser Bundesrat und unser Parlament noch? Offenbar will die Schweiz von Stromimporten aus den alten deutschen Kohle-Dreckschleudern profitieren und selber neue teure Gaskraftwerke bauen. Letztere braucht es zwar kurzfristig auch für die Winterversorgung, weil sie schnell (so hoffen wir!) gebaut werden können.
Aber was folgt langfristig? Die Klima-Entwicklungsländer China, Indien usw., bauen zahlreiche, klimaschonende, quasi-einheimische, sichere KKW auf kleinstem Raum. KKW wären deshalb auch ideal für die zukünftige 10-Millionen Bevölkerung der Schweiz, weil Wärmepumpen, Elektromobile, etc. den Stromverbrauch bis 2050 bis zu 50% (auf 90 Milliarden kWh) erhöhen werden.
Die schweizerischen Parteien von der Mitte bis links-grün (vor allem die SP) haben uns in die heutige risikoreiche Lage der fehlenden Energieversorgungssicherheit hineinmanövriert. Meines Erachtens ist es nicht unüberlegtes Handeln. Es hat System: Den Kapitalismus überwinden. Mangellagen irgendwelcher Art sind leider bestens geeignet, die Ziele der SP zu fördern. Je länger die Schweiz ihre Energiestrategie 2050 vorantreibt statt endlich umzudenken, desto schneller wird sie an Wettbewerbsfähigkeit (Verlust von Industrie-Knowhow, Arbeitsplätze, etc.) und Wohlfahrt verlieren. Eine Entwicklung die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Nachhaltigkeit hiesse: Eine Energie- und Klimapolitik aus Wasser und Kernenergie – wie früher: ohne Risiko von Mangellagen!
Südostschweiz/Glarner Nachrichten 22.7.2022
Hans Achermann, Mollis
Angst vor atomarer Verseuchung!
Herr Heim fürchtet sich vor einer atomaren Katastrophe in der Ukraine. Ich möchte versuchen, ihn mit einigen Fakten zu beruhigen.
- In der Ukraine hat es 15 Kernkraftwerke. Alle sind durch russische Kernkraftwerksbauer erstellt und in Betrieb genommen worden. Sie gehören, wie unsere Schweizer KKWs, alle zur Generation II und versorgen die Ukraine mit einem Anteil von 40-50% mit Strom.
- Das ukrainische Stromnetz ist mit dem russischen verbunden. Die Russen haben deshalb grosses Interesse, dass dieses Netz und dessen Produktionsanlagen intakt bleiben.
- Wenn jetzt, wie beispielsweise im KKW Saproischschja (die grösste Anlage Europas!), der Betrieb und die Überwachung von Russen übernommen worden ist, ist dies kein Grund zur Sorge, sondern eher zur Beruhigung! Eine Gefahr für eine Nuklearkatastrophe wird verringert. Unwissende Russische Armeeeinheiten werden nicht mehr darauf schiessen.
- Selbst ein Schmelzunfall in einem der 15 Reaktoren hätte, wie Fukushima bewiesen hat, keine grenzüberschreitende radioaktive Verseuchung zur Folge. Bei Chernobyl war es anders, weil der Graphitmoderator in Brand geriet und die radioaktiven Partikel der zerplatzten (nicht geschmolzenen!) Brennelemente in grosse Höhen verfrachtete und über ganz Europa verstreute.
- Im Moment befinden sich weltweit 32 Reaktoren der Generation III im Betrieb, 40 im Bau und weitere 83 geplant. Bei diesen kann das Verstreuen der Radioaktivtät in die Umgebung ausgeschlossen werden. Sie werden deshalb weltweit als eine der wirkungsvollen Methoden zum Erreichen des Null-CO2-Ausstosses betrachtet
Hans Rudolf Lutz, alt Kantonsrat, Lostorf 10. März 2022
Die sogenannten radioaktiven Abfälle
Ein Brennstoffelement besteht aus einem Bündel von Hüllrohren welche die Uranoxid-Pillen enthalten. Das Uranoxid besteht aus den beiden oxidierten Uran238 (95%) und Uran235 (5%) Isotopen.
Während des Betriebes eines Reaktors befinden sich die Brennstoffelemente in einer dichten «Wolke» ziemlich langsamer Neutronen, die – wenn sie einen Urankern der Sorte U235 treffen – eine Spaltung desselben auslösen. Dadurch wird die den Urankern235 zusammenhaltende Bindungsenergie frei. Diese nutzt man, indem das heiss werdende Brennstoffelement mit unter Druck stehendem Wasser gekühlt wird. Dabei entsteht Dampf, der einer Dampfturbine zugeführt wird, die eine Stromgenerator antreibt.
In einem Brennelement passiert während des Betriebes des Reaktors mehreres:
- Urankernen der Sorte U235 werden in 2 bis 3 Spaltprodukte zersprengt. Diese neuen Elemente sind alle radioaktiv mit unterschiedlichsten Halbwertszeiten. Sie suchen sich ihren eigenen Gleichgewichtszustand indem sie sich in andere Kerne umwandeln und dabei radioaktive Strahlen (vornehmlich Beta- und Gamma-Radioaktivität) abgeben.
- Es kann passieren, dass ein Neutron einen Kern der Sorte U238 trifft. Dabei entsteht ein neues Element mit dem Namen Plutonium, genau: Pu239.Es ist wie U235 spaltbar und trägt während des 4-jährigen Einsatzes der Brennelemente etwa 20% zur Energieproduktion bei.
- Insgesamt passiert folgendes: Bei der Spaltung von U235 entstehen Spaltprodukte, aus U238 entsteht Plutonium, das zu einem kleinen Teil seinerseits wieder Spaltprodukte produziert.
- Das Endresultat diese Vorgänge ist das folgende:Brennstoffelemente enthalten nach 4-jährigem Einsatz im Reaktor: noch 90% U238, ein wenig restliches U235, 2-3% Pu239 und die radioaktiven Spaltprodukte, die eigentlichen Abfälle.
- Und was macht man mit diesem Mix? Die an und für sich intakten Brennelemente werden zuerst im Reaktorbecken (1-2 Jahre) und dann in einem Zwischenlager (in der Schweiz im ZWILAG) für lange Zeit zwischengelagert. Anschliessend sollen die Brennelemente in Kupfer eingebettet in ein Endlager kommen. Dies wird in Finnland, als erstem Land weltweit bereits durchgeführt. Mit diesem Vorgehen wird allerdings das Plutonium als «Abfall» behandelt, was eigentlich nicht richtig ist.
- Das richtige Vorgehen ist ein Zweifaches: die Schweiz sollte die abgebrannten Brennelemente einer der bestehenden, grossen international anerkannten Wiederaufbereitungsanlagen übergeben, mit dem Auftrag:
a: nutzloses radioaktives Material für die Zwischen- und Endlagerung zu konditionieren.
b: das in den Brennelementen vorhandene Plutonium in neue Brennelemente einzubauen (Mischoxid-Verfahren). Das hätte den Vorteil, dass man das «nutzlose» Plutonium verbrauchen würde, statt es als Abfall zu lagern. Gleichzeitig würden dabei die Lagerzeiten im Endlager von mehreren hunderttausend auf mehrere hundert Jahre reduziert! - Sowohl für das KKW Beznau wie auch Gösgen hat man mehrmals neue Brennstoffelemente, die Plutonium enthalten, hergestellt und nachher als Brennstoff verwendet.
- Den Rest des radioaktiven Materials in einem Endlager zu entsorgen kostet natürlich Geld, – aber jede Dienstleistung kostet Geld. Jeder von uns bezahlt periodisch eine Gebühr an das öffentliche Abfuhrwesen. Für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle besteht ein Fonds der von den KKW-Besitzern während der gesamten Betriebs Dauer des Kernkraftwerkes geäufnet wird. Es wird periodisch überprüft, ob die so bereitgestellten Mittel für die Zwischen und Endlagerung des radioaktiven Materials gross genug sind.
- Das Energiegesetz vom 21. März 2017 verbietet ausdrücklich das hier vertretene Verfahren des Umgangs mit den abgebrannten Brennelementen unserer Kernkraftwerke. Dieses Verbot ist falsch, es muss aufgehoben werden. Schon der ältere Gesetzestext vom 21. März 2003 sagt: «Abgebrannte Brennelemente sind als radioaktive Abfälle zu entsorgen. Sie dürfen nicht wiederaufgearbeitet werden»
- Diese Vorschrift ist Unsinn: Abgebrannte Brennelemente sind keine Abfälle, sondern Wertstoffe.
Dr. Hans Rudolf Lutz, Lostorf
Dr. Heinz Albers, Zürich
Leserbrief: PDF Artikel Grencher Tagblatt 18.2.2022
Unseriöser Panik-Journalismus seitens CHMedia! Das Kernkraftwerk Gösgen ist ein Industrie-Betrieb mit über 500 Mitarbeitenden. In einem Betrieb dieser Grösse läuft trotz aller Vorkehrungen garantiert auch nicht immer alles rund. Als ehemaliger Fachingenieur Sicherungssysteme (Videoüberwachung und Zutrittskontrollsysteme) hatte ich einen sehr guten Einblick und monierte auch das eine oder andere, was gewissen Personen überhaupt nicht passte. Nichtsdestotrotz habe ich auch heute noch das allergrösste Vertrauen ins KKG, vor allem in die Mitarbeitenden an der Front, welche jeden Tag ihr Bestes geben, damit günstiger Strom sicher zur Verfügung steht. Egal, ob ein Hochwasser, das statistisch gesehen nur alle 10’000 Jahre vorkommt, oder ein Erdbeben mit zerstörerischer Wucht eintritt. Panik-Journalismus ist, wenn irgendein fiktives bzw. unmögliches Szenario dargestellt wird, das so in keinster Art und Weise passieren kann. Ein bisschen mehr Hintergrundrecherche erwarte ich von Medien, die ich mit meinem Geld unterstütze! Vor allem bei einem derart heiklen Thema, bei dem das effektive Wissen über Technik und Möglichkeiten beim grössten Teil der Leserschaft fehlt.
Christian Riesen, Wangen b. Olten
Ehemaliger Fachingenieur Sicherungssysteme KKG
«Die erste Publikation des vorliegenden Artikels erfolgte in der NZZ am 15. Dezember 2021.»
Das 2-Grad-Ziel – eine Mission Impossible?
Das Zeitalter der fossilen Energieträger soll nach dem Willen der Klimapolitik bald zu Ende gehen. Doch der Ersatz durch Solar- und Windkraft stösst auf Probleme verschiedenster Art. Es ist Zeit, dass wir aufhören, uns etwas vorzumachen.
Gastkommentar von Walter Rüegg
Vor rund 200 Jahren begannen wir immer grössere Mengen fossiler Energieträger zu benutzen, zuerst Kohle, dann auch Gas und Erdöl. Diese Energieschwemme brachte einem grossen Teil der Menschheit einen noch nie da gewesenen Wohlstand. Die Quote der extrem Armen (mit weniger als 2 Dollar pro Tag, kaufkraftbereinigt) sank weltweit von 94 auf heute 10 Prozent, die Lebensdauer verdoppelte sich, die Weltbevölkerung explodierte förmlich. Doch dafür mussten wir gewaltige Mengen fossilen Kohlenstoffs verbrennen. Dabei gelangten gut 2000 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre.
Der dadurch verursachte Treibhauseffekt, so die Mehrheit der Klimaforscher, verursachte eine durchschnittliche Temperaturerhöhung der Erde um 1,2 Grad. Die Forscher sagen zudem voraus, dass wir nur noch 350 Milliarden Tonnen CO2 ausstossen dürfen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, oder noch rund 1100 Milliarden Tonnen für 2 Grad. Da wir heute jährlich gegen 40 Milliarden Tonnen emittieren – Tendenz steigend –, ist zu befürchten, dass dieses Budget in spätestens 10 beziehungsweise 30 Jahren aufgebraucht ist. Denn einer massiven Reduktion der CO2-Emissionen stehen zwei schwer lösbare Probleme im Weg.
Und die Armut?
Eine gründliche Analyse, 2019 im Wissenschaftsmagazin «Nature» publiziert, kommt zu dem Schluss, dass alle weltweit vorhandenen Anlagen und Motoren im Laufe ihrer normalen Lebensdauer noch rund 650 Milliarden Tonnen CO2 ausstossen werden (inzwischen eher 700 Milliarden Tonnen). Die Hälfte davon durch Kohle und Gaskraftwerke, die andere Hälfte haben Transport, Industrie, Gewerbe und Haushalte zu verantworten. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen (maximal 350 Milliarden Tonnen CO2), müssten wir also zwei Bedingungen erfüllen: erstens ab sofort keine neuen CO2-emittierenden Anlagen und Motoren in Betrieb nehmen und zweitens die Hälfte aller bestehenden. Wenn bei einer Erwärmung über 2 Grad die Apokalypse bevorsteht, müssen wir auch über Kernenergie und Geoengineering reden. umgehend verschrotten. 800 Millionen Menschen sind unterernährt, leben in bitterer Armut. Diese lässt sich nur durch einen Wirtschaftsaufschwung mit dem vermehrten Verbrauch von billigen, fossilen Energieträgern bekämpfen. Armutsbekämpfung ist für viele Länder wichtiger als der Klimawandel. Ein Kohlekraftwerk ist immer noch der schnellste und kostengünstigste Weg, um zuverlässig Netze mit grösseren Strommengen zu betreiben.
Aus diesem Grund sind Kohlekraftwerke mit einer totalen Leistung von rund 300 Gigawatt (GW) in Bau oder in Planung, vor allem in Asien. Die erste Bedingung, keine neuen Anlagen zu bauen, können wir schon aus humanitären Gründen nicht erfüllen. Auch die zweite Bedingung, die Hälfte aller laufenden Anlagen und Motoren zu verschrotten, ist nicht durchführbar, die Wertvernichtung wäre immens. Ein wirtschaftlich vertretbarer, CO2-armer Ersatz ist meistens nicht möglich. Und damit kommen wir zum zweiten Problem. Als Ersatz von fossilen Energieträgern werden an erster Stelle Sonnenenergie (Photovoltaik, PV) und Windenergie genannt. Doch deren Ausbau harzt. 2020 wurden weltweit rund 140 GW PV und 93 GW Windkraft neu installiert (ein Kernkraftwerk leistet etwa 1 GW). Doch Vorsicht: Die installierte Leistung ist bei Solar- und Windanlagen so vielsagend wie die Spitzengeschwindigkeit eines Ferraris im Stadtverkehr. In unseren Breitengraden können im Mittel nur gerade 10 Prozent der installierten Leistung einer PV-Anlage ausgenutzt werden, in der Sahara gut 30 Prozent. Berücksichtigt man dies, reduziert sich die effektive Leistung aller 2020 weltweit neu installierten Solar- und Windanlagen auf rund 50 GW. Ein Tropfen auf den heissen Klima-Stein. Denn es gilt, fossile Stoffe mit einer Energieabgabe von rund 15 000 GW zu ersetzen. Der Zuwachs müsste dramatisch erhöht werden, gemäss der Internationalen Energieagentur (IEA) um das Vierfache. Schwierig bis unmöglich, zumindest kurzfristig. Denn der Materialbedarf, besonders bei der Solarenergie, ist enorm. PV-Solaranlagen benötigen pro erzeugte Energieeinheit 10- bis 100-mal mehr Rohstoffe als Kern- doer Kohlekraftwerke, unter anderem auch 50-mal mehr Kupfer (heute etwa 2 Prozent der Weltproduktion). Bei einem starken Ausbau von Solaranlagen, parallel mit Windanlagen, Stromspeichern, Ersatzkraftwerken, Netzausbau und Elektromobilität, muss die Produktion von Kupfer massiv erhöht werden. Doch neue Minen und Verhüttungswerke können nicht über Nacht gebaut werden.
Die gleiche Problematik droht auch bei anderen Rohstoffen. Heute werden pro Tag etwa 1,5 Millionen Solarpanels hergestellt. Ein Panel ist in der Regel 1 Meter mal 1,7 Meter gross und rund 20 Kilogramm schwer. Aufeinandergestapelt würde eine Tagesproduktion eine Höhe von 50 Kilometern erreichen. Bei einer Steigerung auf 6 Millionen Stück pro Tag würde man täglich zirka 100 000 Tonnen Rohstoffe benötigen (nur Panels). Nicht wenig für einen Planeten mit endlich vielen Rohstoffen. Verschärft wird die Situation durch ein weiteres Problem: Trotz hohem Rohstoffbedarf sind Solaranlagen dank einer hochautomatisierten Massenproduktion erstaunlich kostengünstig. Sie können unter guten Bedingungen (Grossanlagen in sonnenreichen Ländern) billiger Strom produzieren als ein Kohle- oder ein Kernkraftwerk. Das Gleiche gilt für Windanlagen. Allerdings nur bei einem kleinen Anteil im Netz. Steigt dieser Anteil, steigt der Bedarf an Speichern, Ersatzkraftwerken (für Dunkelflauten) und Netzausbau steil an. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, verdoppeln sich die Gesamtkosten schnell einmal, die Wirtschaftlichkeit gegenüber Kohle- oder Kernkraft ist dahin. Das Beispiel Deutschland zeigt dies deutlich. Eine kostengünstige und ressourcenschonende Speichertechnik mit gutem Wirkungsgrad könnte die Situation entschärfen, aber überzeugende Lösungen sind leider nicht in Sicht. Und so müssen selbst sonnenreiche Wüstenstaaten wie zum Beispiel die Emirate trotz (oder besser gesagt wegen) dem starken Ausbau der Solarenergie auch konventionelle Grosskraftwerke bauen und betreiben.
Anpassung ist sinnvoll
Vor allem sollten wir aufhören, uns etwas vorzumachen. Selbst für das 2-Grad-Ziel besteht wenig Hoffnung, trotz allen Klimakonferenzen. Vielleicht merken viele Menschen intuitiv, dass William Nordhaus, Klimaökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger 2018, recht haben könnte: Für eine optimale Balance zwischen der Belastung der Wirtschaft (unser Wohlstand) und dem Nutzen für den Klimaschutz müssen wir eine Erwärmung um 3 Grad bis 2100 zulassen. Wenn bei einer Erwärmung über 2 Grad die Apokalypse bevorsteht, wie viele Politiker prophezeien (der Weltklimarat IPCC ist etwas zurückhaltender), müssen wir auch über Kernenergie und Geoengineering reden. Mit Letzterem ist einerseits die direkte Dämpfung der Sonneneinstrahlung gemeint, etwa durch das Einbringen von Partikeln in die Stratosphäre. Vergleichsweise spottbillig, aber umstritten. Der andere Weg betrifft die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, von der Politik sehnlichst herbeigewünscht. Denn nur dadurch sind die Netto-Null-Versprechen bzw. das 1,5-Grad-Ziel halbwegs realisierbar. Gemäss dem IPCC müsste man jährlich über 10 Milliarden (!) Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Verschiedenste Technologien stehen zur Wahl, vom Bäumepflanzen bis zu technischen Systemen. Doch die Mengen sind gigantisch. Um die 10 Millionen Quadratkilometer Wald (die Fläche Europas, vom Ural bis nach Portugal) müssten gepflanzt und gepflegt werden. Technische Lösungen gibt es für kleine Mengen. Das Hauptproblem stellt die sichere Endlagerung von vielen Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr dar. Im Vergleich dazu ist die Entsorgung radioaktiver Abfälle geradezu einfach.
Für eine starke Reduktion der CO2-Emissionen besteht in den nächsten 20 bis 30 Jahren wenig Hoffnung, was auch immer an Klimakonferenzen beschlossen wird. Wir täten deshalb gut daran, uns an die Klimaveränderungen so gut wie möglich an- zupassen. Höhere Temperaturen an sich wie in Singapur oder Okinawa (10 bis 15 Grad über denjenigen in Mitteleuropa) stehen offensichtlich einem grösseren Wohlstand, einer längeren Lebenserwartung und einer besseren Gesundheit als im europäischen Mittel nicht im Wege. Natürlich müssen wir auch den Ersatz von fossil betriebenen Anlagen und Motoren durch elektrische vorantreiben, nicht nur wegen der CO2-Emissionen. Und viel mehr Mittel in Forschung und Entwicklung stecken, mit dem bisherigen Stand der Technik können wir die Klimaerwärmung nicht in den Griff bekommen. Mittelfristig kommen wir um Geoengineering und Kernenergie kaum herum. Diese wird langfristig wohl dominieren, da sie die ressourcenschonendste CO2-arme Möglichkeit ist, um unseren Energiebedarf rund um die Uhr zu decken. Alternative Energien ergeben in sonnen- oder windreichen Gegenden – begrenzt auf nicht zu grosse Anteile – einen Sinn, besonders als Grossanlagen, und können in abgelegenen, dünnbesiedelten Gebieten eine erste Quelle von Strom darstellen. Aber ein Wundermittel gegen die Klimaerwärmung sind sie nicht.
Walter Rüegg war an der ETH 15 Jahre lang als Kern- und Teilchenphysiker tätig,
arbeitete anschliessend für 30 Jahre in der ABB auf dem Gebiet der Energietechnik.
2 neue Kernkraftwerke für die Niederlande
Während in Deutschland die Stilllegung von 3 der 6 letzten Kernkraftwerke auf Ende Jahr vorbereitet wird, hat die holländische Regierungskoalition unter Präsident Mark Rutte, den Bau zweier neuer Kernkraftwerke als Teil der zukünftigen Energie- und Klimapolitik beschlossen.
Ausgerechnet im Lande der historischen Windmühlen, will man jetzt die Landschaft nicht derart «verspargeln» wie dies Deutschland vormacht. Seit 1973 betreibt Holland übrigens in Borssele, nahe der Grenze zu Belgien (eines der 3 Länder, die aus der Kernenergie aussteigen wollen!) ein 482 MegaWatt Kernkraftwerk von Siemens. Diese Anlage soll, solange sie sicher ist, weiter betrieben werden. So wie wir es mit den 4 Schweizer Kernkraftwerken auch tun.
Der Beschluss der niederländischen Regierung ist also Ausdruck von nüchternem wirtschaftlichem Pragmatismus, der in Deutschland längstens verloren gegangen ist. Dass damit unser nördlicher Nachbar immer näher in den Bereich von möglichen, längeren Stromunterbrüchen rutscht, wird vom rot-grünen Teil der neuen Koalition nach dem «Blinde-Kuh»-Prinzip ignoriert.
Dr. Hans Rudolf Lutz, alt Kantonsrat OT und der SZ 22.12.2021
Es brennt im Dach der Schweizer Energiepolitik
Nun dämmert es auch den Medien, dass die Stromversorgung der Schweiz schon mittelfristig gefährdet ist und die gehätschelte Energiestrategie 2050 vielleicht schon bald Makulatur sein könnte. Im Bundesamt für Energie wird jetzt darüber debattiert, wer zuerst im Dunkeln sitzen und frieren muss, derweil die Elektrifizierung in allen Richtungen wacker vorangetrieben wird. Das Interview bestätigt, dass die Schweiz dringend neue Grosskraftwerke braucht, aber Kernkraftwerke dürfen es keinesfalls sein. Die zunehmende Auslandabhängigkeit soll mit monströsen Fotovoltaikprojekten in Frankreich gemildert werden, und jeder Hausbesitzer soll bitte baldmöglichst Sonnenkollektoren auf dem Dach montieren. Was für Widersprüche und politische Unwägbarkeiten! Wenn Herr Brand wirklich so denkt, sollte er vielleicht auch Sonnenkollektoren auf seinen Tesla schrauben. Es stimmt natürlich, dass von einem Kernkraftwerkneubau kurzfristig keine Rettung zu erwarten ist. Das jedoch nicht wegen der Stromkosten, sondern wegen der langen Bauzeit und dem hohen Investitionsrisiko. Eine realistische Überbrückungslösung wäre ein Gaskraftwerk, das aber eine schlechtere Umweltbilanz und eine grössere Stromkostenunsicherheit aufweist. Den Fünfer und das Weggli gibt es halt nicht! Mit dem Imperativ „So wird das nichts“ hat der Axpo-Chef, allerdings im umgekehrten Sinn, recht.
Peter Wydler, Dr.sc.nat., Dipl. Phys. ETH
Leserbrief zum Interview mit Axpo-CEO Christoph Brand in der AZ vom 23. Oktober 2021
Erschienen in der AZ vom 30. Oktober
Ein offener Brief an alle Deutschen
25 In- und ausländische Journalisten, Akademiker und Autoren fordern in einem offenen Brief, dass die noch verbleibenden 6 deutschen Kernkraftwerke, nicht wie geplant, zur Hälfte Ende 2021 und die 3 letzten Ende 2022 stillgelegt, sondern weiterbetrieben werden. Ohne den Beitrag dieser CO2-freien Energiequelle, sei das 2030 Klimaziel nicht zu erreichen. Das Abstellen der Kohlekraftwerke müsse dem nuklearen Ausstieg vorangehen.
Wenn die Kernkraftwerke wie jetzt geplant abgestellt würden, produzierten die als Ersatz notwendigen Gaskraftwerke jährlich zusätzliche 40 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahre 2030.
Was leider immer noch nicht zum Allgemeinwissen gehört, sind die Erdgasverluste in den mehreren 1’000 Kilometer langen Leitungen. Auch wenn diese nur 0.5% betragen, ist die Klimaschädlichkeit den Kohlekraftwerken gleichzusetzen, weil Methangas (CH4), welches 93%des Erdgases ausmacht, über 20 Jahre gerechnet, 80 Mal treibhauswirksamer ist als CO2.
Der jetzt auch in der Schweiz immer lauter werdende Ruf, zur Vermeidung von Versorgungsengpässen mit möglichen Blackouts Gaskraftwerke zu erstellen, ist klimamässig also gleichbedeutend, wie wenn wir Kohlekraftwerke benützen würden. Politisch besteht allerdings schon ein Unterschied: Bei Gaseinsatz ist vor allem Putin der grosse Gewinner im Energiepoker. Wissen Sie übrigens, was er mit dem vielen Geld macht, das er dabei einnimmt? Er baut in Russland und andern Ländern Kernkraftwerke!
Hans Rudolf Lutz, alt Kantonsrat, Lostorf 15. Oktober 2021